Schriftliche Anfrage

des Abgeordneten Peter Trapp (CDU)

vom 06. März 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2020)

zum Thema:

Einstellung des Bereitschaftsdiensts in Strafsachen in den Nachtstunden

und Antwort vom 18. März 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. März 2020)

Herrn Abgeordneten Peter Trapp (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen –

Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/22902 vom 6. März 2020 über Einstellung des Bereitschaftsdiensts in Strafsachen in den Nachtstunden

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Trifft es zu, dass es seit dem 01.01.2020 keinen richterlichen Bereitschaftsdienst mehr in Strafsachen in den Nachtstunden gibt?

Zu 1.: Ja, jedenfalls nicht zwischen 21.00 und 6.00 Uhr.

2. Wenn ja: warum und durch wen in welcher Zuständigkeit?

Zu 2.: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung Az. 2 BvR 675/14 vom 12. März 2019 im Zusammenhang mit Wohnungsdurchsuchungen festgestellt, dass während der Nachtzeit generell ein ermittlungsrichterlicher Bereitschaftsdienst jedenfalls bei einem Bedarf einzurichten ist, der über den Ausnahmefall hinausgeht. Kommt es nur im Ausnahmefall zu nächtlichen Durchsuchungsanordnungen, gefährdet das Fehlen eines nächtlichen ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes nicht die in Artikel 13 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters bzw. der Richterin. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die Gerichtspräsidien nach pflichtgemäßem Ermessen in eigener Verantwortung zu entscheiden haben, ob ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet werden soll. Für die Art und Weise der Bedarfsermittlung steht den Gerichtspräsidien ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.

Das Präsidium des Amtsgerichts Tiergarten hat im Lichte dieser Entscheidung am 16. Dezember 2019 in eigener Zuständigkeit und im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit beschlossen, ab dem 1. Januar 2020 von einem nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienst in Strafsachen zwischen 21.00 und 6.00 Uhr abzusehen. Grund hierfür war, dass eine Erhebung zur Anzahl von Entscheidungen im nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienst im Zeitraum 1. Januar bis 30. Oktober 2019 ergeben hat, dass durchschnittlich pro Nacht 2,77 Entscheidungen zu treffen waren. Hiervon betraf wiederum nur ein Teil besonders grundrechtsinvasive Entscheidungen wie Wohnungsdurchsuchungen. Diese machten im Jahr 2019 im nächtlichen Bereitschaftsdienst nur ein bis zwei Entscheidungen pro Nacht aus. Das Präsidium ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass daher nur ein Bedarf vorliegt, der über den Einzelfall nicht hinausgeht.

3. Wie oft und wegen welcher Anlässe wurde der richterliche Bereitschaftsdienst in Strafsachen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zur Beantwortung der Anfrage in den Nachtstunden angerufen (erbitte gesonderte Angabe der durchschnittlichen Anzahl je Monat und der jeweiligen Delikte)? 2

4. Wie oft und wegen welcher Anlässe wurde der richterliche Bereitschaftsdienst in Strafsachen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zur Beantwortung der Anfrage am Tag angerufen (erbitte gesonderte Angabe der durchschnittlichen Anzahl je Monat und der jeweiligen Delikte)?

Zu 3. und 4.: Über die in der Antwort zu Frage 2 mitgeteilten Informationen hinausgehend liegen keine weiteren statistischen Angaben vor.

5. Zu welchen Zeiten mit welcher Besetzung ist der richterliche Bereitschaftsdienst in Strafsachen seit dem 01.01.2020 erreichbar?

Zu 5.: Ein entsprechender Bereitschaftsdienst ist täglich für die Zeit von 6.00 – 21.00 Uhr eingerichtet. Werktags steht zwischen 08.00 und 16.00 Uhr eine Richterin bzw. Richter der sechs Ermittlungsrichterabteilungen zur Verfügung. Zu allen anderen Zeiten steht eine Richterin bzw. ein Richter zur Verfügung, die bzw. der im Fall einer Überlastung eine zweite Richterin bzw. einen zweiten Richter hinzuziehen kann.

6. Wie und auf welcher rechtlichen Grundlage wird der Wegfall der Erreichbarkeit des richterlichen Bereitschaftsdiensts in Strafsachen zur Nachtzeit kompensiert, um eine rechtskonforme Vollziehung von Entscheidungen mit Richtervorbehalt auch in den Nachtstunden zu gewährleisten?

Zu 6.: Sollte nachts in Einzelfällen das Bedürfnis nach Anordnung entsprechender Zwangsmaßnahmen bestehen, wird eine solche bei Annahme von Gefahr in Verzug durch die Ermittlungsbehörden getroffen.

7. Wann erfolgten welche Informationen, Handlungs- und Dienstanweisungen zur Zuständigkeit und Erreichbarkeit des richterlichen Bereitschaftsdienstes in Strafsachen gegenüber den Dienstkräften der Berliner Polizei und wo können diese eingesehen werden?

Zu 7.: Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 des Präsidenten des Amtsgerichts Tiergarten informierte dieser alle Strafverfolgungsbehörden einschließlich des Polizeipräsidenten in Berlin unter Bezugnahme auf den Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Tiergarten für 2020 über die Änderungen beim richterlichen Bereitschaftsdienst. Die neu geregelten Zuständigkeiten samt bereits bekannter Telefon- und Faxnummern zur Erreichbarkeit der jeweiligen Bereitschaftsrichterinnen und -richter wurden dem Polizeipräsidenten in Berlin dann noch einmal zusätzlich am 28. Januar 2020 mitgeteilt und seitdem wöchentlich – immer am Dienstag oder Mittwoch für die darauffolgende Woche – unter Hinzufügung der konkreten Namen der jeweils zuständigen Richterinnen und Richter per EMail wiederholt.

Darüber hinaus wurde auch die Öffentlichkeit durch Pressemitteilung des Präsidenten des Kammergerichts vom 17. Dezember 2019 (Pressemitteilung Nr. 58/2019) über die Neuregelung des strafrichterlichen Bereitschaftsdienstes informiert.

Berlin, den 18 März 2020

In Vertretung

Brückner
Senatsverwaltung für Justiz,
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung