Schriftliche Anfrage

des Abgeordneten Peter Trapp (CDU)

vom 28. September 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. September 2020)

zum Thema:

Besoldung in Berlin

und Antwort vom 08. Oktober 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Okt. 2020)

Senatsverwaltung für Finanzen

Herrn Abgeordneten Peter Trapp (CDU)

über

den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin

über Senatskanzlei – G Sen –

Antwort

auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/25 099

vom 28. September 2020

über Besoldung in Berlin

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Ich frage den Senat:

1. Welche Maßnahmen werden seitens des Landes Berlin ergriffen, um für die verbeamteten Dienstkräfte einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, damit sich Rechtsstreitigkeiten zur Besoldung nicht wieder über 10 Jahre hinziehen?

Zu 1.:

Seitens des Senats werden die bundesrechtlich in § 54 Beamtenstatusgesetz und der Verwaltungsgerichtsordnung geregelten Rechtsbehelfe als ausreichend zur Gewährung von Rechtsschutz erachtet. Die Dauer eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. Sachstandsbericht vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags „Zeitliche Vorgaben für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht“ vom 09.03.2017, Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 060/171 ).

https://www.bundestag.de/resource/blob/508020/ce64b1ae74189a0d7dd78abf0de283d6/wd-3-060-17-pdf-data.pdf

2. Ist es vorgesehen dem Abgeordnetenhaus im Nachgang des BVerfG-Urteils zur R-Besoldung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der auch die Option der rückwirkenden Beseitigung des fast über ein Jahrzehnt bestehenden verfassungswidrigen Zustandes für alle verbeamteten Dienstkräfte des Landes Berlin vorsieht? Wenn nein, warum nicht?

Zu 2.:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt im gegenständlichen Beschluss vom 04.05.2020 (Az.: 2 BvL 4/18) unter der Randnummer 182 dar, dass eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes nicht geboten ist.

3. Lässt sich auf Grund des verfassungswidrigen Handelns für die Betroffenen der R-Besoldung ein Amtshaftungsanspruch oder ein irgendwie anders gearteter Schadensersatzanspruch gegen das Land Berlin für den vorbehaltenen Sold ableiten?

Zu 3.:

Nach Auffassung des Senats können die Betroffenen gegenüber dem Land Berlin einen Amtshaftungsanspruch oder einen sonstigen Schadenersatzanspruch nicht geltend machen.

Zum einen formuliert § 839 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bereits einen Anspruchsausschlussgrund für den Amtshaftungsanspruch. Hiernach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Für einen Anspruch auf Schadensersatz besteht also keine Rechtfertigung, wenn ein möglicher Schaden im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden kann (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 5). Eine andere Wertung würde im Übrigen auch die Feststellung des BVerfG im gegenständlichen Beschluss unter Randnummer 183 unterlaufen, nach der eine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes nur hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälten erforderlich ist, die sich zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben.

Zum anderen lehnt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Haftung für legislatives Unrecht mangels Drittbezogenheit ab. So dienen die Amtspflichten der öffentlichen Amtsträger in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen. Soweit sich die Amtspflichten darin erschöpfen, diesem Allgemeininteresse zu dienen und noch keine besonderen Beziehungen zwischen diesen Amtspflichten und bestimmten Personen oder Personengruppen bestehen, kommen sonach bei Verletzung dieser Amtspflichten Schadensersatzansprüche für außenstehende Dritte nicht in Betracht. Um derartige Amtspflichten handelt es sich im Allgemeinen bei den Pflichten, die für die dafür Verantwortlichen im Rahmen der Gesetzgebungsaufgaben bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber – bei Tätigwerden und Untätigbleiben – in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt (BGH NJW 1989, 101). Das Merkmal der Drittbezogenheit reflektiert somit eine scharfe Trennlinie zwischen subjektiv-öffentlichem Recht des Einzelnen und Allgemeininteresse, ohne dass sich das Allgemeininteresse wieder in Individualinteressen segmentiert, wenn das Resultat des gesetzgeberischen Handelns unmittelbar in ein subjektiv-öffentliches Recht der Einzelnen eingreift (Geiger NVwZ 2020, 1234 (1238)).

Überdies wirkt bereits das deliktsrechtliche Verschuldenserfordernis haftungsbegrenzend, da dem Gesetzgeber die vorsätzliche oder fahrlässige Verkennung der Verfassungswidrigkeit zur Last fallen muss. Eine objektive Haftung für legislatives Unrecht ist mit dem deliktsrechtlichen Charakter des § 839 BGB nicht vereinbar (Geiger NVwZ 2020, 1234 (1238)).

4. Wird der geplante Gesetzentwurf zur Besoldungsanpassung für das Jahr 2021 die vom BVerfG geforderten prozeduralen Anforderungen erfüllen und endlich Berechnungen anhand der vom BVerfGPrüfparameter enthalten?

9. Werden in dem neu zu überarbeitenden Gesetzentwurf zur Besoldungsanpassung 2021 die Vorgaben des BVerfG zur Berliner R-Besoldung auch für die Berechnung der anderen Besoldungsgruppen herangezogen?

Zu 4. und 9.:

Die Vorgaben des BVerfG werden beim Entwurf des BerlBVAnpG 2021 vollumfänglich und hinsichtlich aller Besoldungsgruppen berücksichtigt.

5. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre im Umgang mit den Widerspruchsstellern in Bezug auf einer Unteralimentation lassen erwarten, dass zukünftig alle verbeamteten Dienstkräfte weiterhin zeitnah für jeweils gegenwärtige Besoldung Widerspruch einlegen werden. Wie gedenkt der Senat damit umzugehen?

Zu 5.:

Mit Rundschreiben „IV Nr. 33/2018“ vom 08.08.2018 2 wurde der Senatsbeschluss Nr. S-1356/2018 vom 03.07.2018 zum Umgang mit auf amtsangemessene Besoldung gerichteten Anträgen, Widersprüchen und Klageverfahren im Hinblick auf ein Ruhen der Verfahren und einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bekanntgegeben. Durch diesen Beschluss hat sich der Senat für ein Ruhen der Verfahren sowie für einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich auf amtsangemessene Besoldung

https://www.berlin.de/politik-und-verwaltung/rundschreiben/download.php/4324878

gerichteter Anträge, Widersprüche und Klageverfahren, soweit die Verjährung auf der Ruhendstellung basiert, ausgesprochen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Entscheidung über den Umgang mit Verfahren auf amtsangemessene Besoldung die jeweiligen Dienststellen treffen. Diesen wurde jedoch vom Senat empfohlen, entsprechend dem Senatsbeschluss zu verfahren.

In dem Rundschreiben ist zudem dargestellt, dass ein behaupteter Anspruch auf höhere Besoldung in dem Haushaltsjahr geltend gemacht wird, für das er behauptet wird. Die Geltendmachung kann sich auch auf die Zukunft erstrecken, wenn zum Ausdruck kommt, dass die Besoldung ab dem derzeitigen Jahr gerügt wird und nicht nur für das derzeitige Jahr selbst.

6. Wird der Senat weiterhin das Ziel verfolgen durch nicht ruhegehaltsfähige Zulagen das Pensionsniveau zu senken?

Zu 6.:

Der Senat hat auch bisher nicht das Ziel verfolgt, durch nicht ruhegehaltfähige Zulagen das Pensionsniveau zu senken. Die Aufhebung der Nummer 3a der Vorbemerkungen zum Bundesbesoldungsgesetz zum 01.01.1999 erfolgte durch den Bundesgesetzgeber zu einer Zeit, zu der dem Bund auf Grund der damaligen Regelung des Artikels 74a Grundgesetz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungs- und Versorgungsrecht auch für die beamteten Dienstkräfte der Länder oblag.

Anders als Amtszulagen gelten Stellenzulagen nicht als Bestandteil des Grundgehaltes. Sie sind widerruflich und dürfen nur für die Dauer der Wahrnehmung der herausgehobenen Funktion gewährt werden (§ 42 Absatz 2, Absatz 3 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für Berlin). Stellenzulagen sind demzufolge an die Wahrnehmung bestimmter dienstlicher Aufgaben geknüpft, die jedoch im Ruhestand nicht mehr wahrgenommen werden. Da sie nicht Bestandteil des Grundgehalts sind, gehören Stellenzulagen nicht zum Kernbereich der beamtenrechtlichen Alimentation. Der Wegfall der Ruhegehaltfähigkeit einer Stellenzulage verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, da kein aus der Verfassung abzuleitender Anspruch auf die Ruhegehaltsfähigkeit einer Zulage besteht. Einer Stellenzulage kommt insbesondere nicht die Funktion zu, die amtsangemessene Alimentation von verbeamteten Personen sicherzustellen. Diesem Grundsatz hat bereits die Alimentation aus dem innegehabten Amt ohne Stellenzulage zu genügen (BVerwG, Urteil vom 25.08.2011, Az.: 2 C 22.10 ). 7. Wie viele Besoldungs-Widersprüche liegen derzeit im Land Berlin vor?

8. Wie viele Klagen gegen verfassungswidrige Alimentation im Land Berlin liegen derzeit vor?

Zu 7. und 8.:

Diesbezüglich wird auf die Antworten zu den Fragen 7 und 8 der Schriftlichen Anfrage S-18/19 992 (Abgeordnetenhaus Berlin Drucksache 18/19992) verwiesen.

10. Welche genauen Berechnungsgrundlagen zum aktuellen Urteil zur R-Besoldung sind dem Senat bekannt? (Ich bitte diese dazustellen.)

Zu 10.:

Das BVerfG stellt seine Berechnungsgrundlagen im gegenständlichen Beschluss unter den Randnummern 29-83 dar. Unter den Randnummern 101-159 erfolgt anhand dieser Berechnungsgrundlagen die Prüfung der Amtsangemessenheit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bezüglich der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 im Land Berlin.

11. Die Beamt*innen Besoldung soll in Berlin bis 2021 an den Durchschnitt aller Bundesländer und des Bundes angepasst werden. Wie sieht die exemplarische Durchschnittsberechnung anhand der Besoldungsgruppe A 12 aus – insbesondere unter Beachtung des Beschlusses des BVerfG zur RBesoldung?

Zu 11.:

Über alle Besoldungsgruppen hinweg sieht der Entwurf des BerlBVAnpG 2021 eine allgemeine Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge der Beamtinnen und Beamten, der Richterinnen und Richter sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Landes Berlin um 2,5 Prozent ab dem 01.01.2021 vor. Für die Besoldungsgruppe A 12 würde dies bedeuten, dass sich das jährliche Grundgehalt in der Endstufe zuzüglich allgemeiner Stellenzulage und der Sonderzahlung von derzeit 59.349,00 € auf 60.809,00 € erhöht. Im Vergleich anhand der prognostizierten Jahresbruttobesoldung in der Endstufe A 12 für das Jahr 2021 liegt das Land Berlin 0,03 % über dem Länderdurchschnitt von 60.791,00 € und 0,22 % unter dem BundLänder-Durchschnitt von 60.943,63 € (Durchschnitt jeweils ohne das Land Berlin gebildet).

Die seitens des BVerfG im gegenständlichen Beschluss als für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblich erachteten Parameter werden durch diese Besoldungserhöhung allesamt eingehalten. Die Vorlage an das Abgeordnetenhaus wird sich hierzu im Detail verhalten.

Berlin, den 08. Oktober 2020

In Vertretung
Fréderic Verrycken Senatsverwaltung für Finanzen