Schriftliche Anfrage

des Abgeordneten Burkard Dregger (CDU)

vom 19. Oktober 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2020)

zum Thema:

Zentraler Objektschutz in Not?

und Antwort vom 10. November 2020 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Nov. 2020)

Senatsverwaltung für Inneres und Sport

Herrn Abgeordneten Burkard Dregger (CDU)
über
den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin

über Senatskanzlei – G Sen –

Antwort
auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/25309
vom 19. Oktober 2020
über Zentraler Objektschutz in Not?

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Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Welche Gründe haben dazu geführt, dass aktuell erneut Vollzugsbeamtinnen und -beamte aus anderen Dienstbereichen für Aufgaben des Zentralen Objektschutzes (ZOS) herangezogen werden?

Zu 1.:

Im Referat Zentraler Objektschutz (ZOS) der Direktion Zentrale Sonderdienste (ZeSo – im Aufbau) der Polizei Berlin werden seit mehreren Jahren stetig steigende Zahlen von zu schützenden Objekten in Berlin verzeichnet. Darüber hinaus kamen in diesem Jahr zusätzlich die personalintensiven pandemiebedingten Maßnahmen zum Schutz der Lager für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) des Senats und der Berliner Feuerwehr hinzu. Auch der Prozess um die Räumungsklage in der Liebigstraße 34 und die damit zu schützenden Objekte des Eigentümers und der Anwaltskanzleien führten zu weiteren Belastungen. Weiterhin waren kurzfristige personenbezogene Objektschutzmaßnahmen sowie die intensivmedizinische Aufnahme des russischen Oppositionspolitikers, Herrn Alexei Nawalny, im Universitätsklinikum Charitè Mitte kräftebindend.

2. Vollzugsbeamtinnen und -beamte welcher Dienststellen werden für diese Aufgaben in welchem Umfang herangezogen?

Zu 2.:
Den örtlichen Direktionen und der Direktion Einsatz/Verkehr der Polizei Berlin ist es freigestellt, welches Personal für die Erledigung der Unterstützungsmaßnahmen für den ZOS eingesetzt wird. Demnach können alle Gliederungseinheiten in deren Struktur betroffen sein, beispielhaft Polizeiabschnitte, Einsatzeinheiten, örtliche Stäbe, die Referate Kriminalitätsbekämpfung, die Wasserschutzpolizei, der Verkehrsdienst usw.

Seite 1 von 4 Seit dem 17. August 2020 übernehmen die örtlichen Direktionen und die Direktion Einsatz/Verkehr stadtweit elf Objektschutzstreifen, die im 24/7-Rhythmus zu gewährleisten sind. Bis auf eine Route werden alle Streifen mit einer Dienstkraft besetzt.

Die im Frühjahr des Jahres zu schützenden pandemiebedingten Objekte (PSALager) betrafen drei Direktionen, die Schutzobjekte im Zusammenhang mit der Räumungsklage Liebigstraße 34 wiederum zwei Direktionen. Auch diese Objekte wurden im 24/7-Rhythmus geschützt und unterschiedlich, je nach räumlicher Gegebenheit und Gefährdungsbewertung, mit Personal versehen. Diese Auflistung an Unterstützungsleistungen ist nicht abschließend, da immer wieder kurzfristige Schutzmaßnahmen, wie zuvor erwähnt, bewältigt werden müssen.

3. Vollzugsbeamtinnen und -beamte welcher Besoldungsgruppen und welcher Laufbahnzweige werden hierfür eingesetzt?

Zu 3.:
Im Bedarfsfall werden Angehörige der Laufbahnzweige der Schutzpolizei im mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst sowie der Kriminalpolizei zur Unterstützung eingesetzt.

4. Wie viele Einsatzkräftestunden wurden in diesem Zusammenhang von den eingesetzten Dienstkräften bislang im Jahr 2020 geleistet?

Zu 4.:
Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang mit Stand Oktober 2020 ca. 41.000 Einsatzkräftestunden geleistet.

5. Wie lange wird die Unterstützung von Vollzugsbeamtinnen und -beamten voraussichtlich notwendig sein?

Zu 5.:
Das Heranziehen von beamteten Vollzugskräften für Aufgaben des ZOS wird vorerst weiter notwendig sein. Aktuell wird an organisatorischen und technischen Lösungen zur Entlastung des ZOS gearbeitet.

6. Bezugnehmend auf die Antwort vom 26.05.2019 zu Frage Nr. 8 der Schriftlichen Anfrage Drs. Nr. 18/14 992 („Mit Stand vom 30. April 2018 waren beim ZOS keine Stellen unbesetzt.“) und die Antwort vom 26.01.2019 zu Frage 12 der Schriftlichen Anfrage Drs. Nr. 18/17 522, wie zukünftig personellen Engpässen beim ZOS begegnet werden soll („Der ZOS ist bemüht, durch Werbung und Einstellung neue Dienstkräfte zu gewinnen.“):

a) Wie bewertet der Senat die Stellensituation beim ZOS?

b) Wie viele Personalstellen beim ZOS sind derzeit aus welchen Gründen unbesetzt?

c) Wie stellt sich die Situation bei Werbung und Einstellung aktuell dar?

d) Kann personellen Engpässen beim ZOS zukünftig allein durch Besetzung der derzeit vorhandenen Stellen begegnet werden?

Zu 6.:
a) Die Einstellungsmöglichkeiten beim ZOS zur Besetzung der vorhandenen Planstellen werden regelmäßig ausgeschöpft. Unterjährigen Personalfluktuationen wird mit mehrmaligen Einstellungsterminen im Kalenderjahr entgegengewirkt.

b) Mit Stand vom 30. September 2020 stellt sich die Stellen- und Personalsituation wie folgt dar:

Beschäftigtengruppe Stellen1) VZÄ2)
Beamtete Dienstkräfte 72,00 65,00
Tarifbeschäftigte 1.511,50 1.532,87
Dienststelle ZOS gesamt: 1.583,50 1.597,87

Quelle: Quelle: Integrierte Personalverwaltung IPV Datenbestand per 30.09.2020
1) inklusiv 30 befristete Polizeimeisterstellen A 7
2) Angaben in Vollzeitäquivalenten (mit beurlaubten Dienstkräften und ohne Anwärterinnen/Anwärter und Auszubildenden)

Insofern sind im Bereich der Tarifbeschäftigten im Objektschutz alle Stellen besetzt. Im Bereich der beamteten Dienstkräfte ist anzumerken, dass diese ausschließlich im Innendienst beim ZOS eingesetzt werden.

c) Die Bewerbungszahlen für eine Tarifbeschäftigung im Objektschutz waren stets ausreichend, so dass die Einstellungsziele in der Vergangenheit verlässlich erreicht wurden. Zuletzt erfolgten zum 12. Oktober 2020 819 Bewerbungen auf 60 Einstellungsplätze. Gesonderte Werbemaßnahmen wurden nicht erforderlich.

d) Personellen Engpässen beim ZOS kann zukünftig nicht allein durch Besetzung der derzeit vorhandenen Stellen begegnet werden. Folglich arbeitet die Polizei Berlin an organisatorischen und technischen Lösungen, um den ZOS personell zu entlasten (vergleiche Antwort zu 5.).

7. Welcher Stellenmehrbedarf für den ZOS wurde in den letzten 10 Jahren (aufgeschlüsselt nach Jahren sowie Beamtinnen und Beamte/ Tarifbeschäftigte)

a) durch die Polizei angemeldet?

b) durch den Senat angemeldet?

c) durch das Abgeordnetenhaus durch zusätzliche Stellen im Haushalt anerkannt?

Zu 7.:
Im Haushalt 2010 sind im Rahmen der Haushaltskonsolidierung des Landes Berlin sowie der Privatisierung der Pförtnerdienste 174 Stellen für Tarifbeschäftigte im Objektschutz (TB OS, seinerzeit noch Polizeiangestellte) weggefallen.

Bis zum Jahr 2015 hatte die Polizei Berlin eine Zunahme der Schutzmaßnahmen (von 185 auf 220 Funktionen) sowie tarifliche Anpassungen (wöchentliche Arbeitszeit inklusiv Pause von 38,5 Stunden für Wechselschichtdienst leistende Tarifbeschäftigte) zu verzeichnen. Unter Berücksichtigung der sich ändernden Schutzerfordernisse wurde ein Stellenbedarf von über 200 Stellen von der Polizei Berlin geltend gemacht. Im Jahr 2015 wurden vor dem Hintergrund der sich verschärfenden sicherheitspolitischen Situation und infolge der Terroranschläge in Frankreich in den Jahren 2014 und 2015 jeweils 65 Stellen TB OS und im Jahr 2016 125 Stellen TB OS sowie 30 Beschäftigungspositionen durch den Senat veranschlagt und durch das Parlament bewilligt.

Weiterhin erfolgte im Rahmen des Senatsbeschlusses zum „Masterplan Integration und Sicherheit“ vom 24. Mai. 2016 eine weitere Einstellung von 53 TB OS, bisher aufgrund anderweitiger Prioritäten ohne entsprechenden Stellenzugang. Für die Dienstkräfteanmeldung 2020/2021 wurden 95 zusätzliche Stellen angemeldet. Allerdings mussten diese vorhandenen Stellenbedarfe im ZOS nach gründlicher Abwägung des gesamtpolizeilichen Personalbedarfs und Aufgabenzuwachses trotz eines zwischenzeitlichen Anstiegs der Schutzmaßnahmen und die infolge von Urteilen des

Seite 3 von 4 Landesarbeitsgerichts als Arbeitszeit zu gewährenden „Umkleide- und Rüstzeiten“ unberücksichtigt bleiben.

8. Wie erklärt sich, dass in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Drs. Nr. 18/14 992 die Stellenzahl (Beamtinnen und Beamte sowie Tarifbeschäftigte) beim ZOS per 30.04.18 mit 1614,50 angegeben wird und diese in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Drs. Nr. 18/24 464 per 30.12.18 (und danach) nur noch mit 1583,50? Wodurch sind diese 31 Stellen weggefallen?

Zu 8.:
Bei der Stellenangabe per 30. April 2018 sind versehentlich die im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation im Haushalt 2016 für den Objektschutz zugegangenen 30 befristeten Stellen Polizeimeisterin/Polizeimeister (Besoldungsgruppe A7) sowohl im Beamten- als auch im Tarifbereich gezählt worden. Die korrekte Anzahl per 30. April 2018 im Bereich ZOS beläuft sich auf 1.584,5 Stellen.

Die Differenz von einer Stelle zum Jahresende 2018 resultiert aus der unterjährigen Verlegung einer Verwaltungsstelle des Titels 42811 (Entgelte der nichtplanmäßigen Tarifbeschäftigten).

9. a) Hält der Senat die aktuellen Objektschutzkonzepte in Hinblick auf Effektivität und Effizienz für zeitgemäß?

b) Auf welchen Evaluationen bzw. wissenschaftlichen Analysen basiert die Einschätzung?

c) Welche Alternativen bzw. Fortentwicklungen sieht der Senat zu den aktuellen Objektschutzkonzepten?

Zu 9.:
a) Grundsätzlich sind die aktuellen Objektschutzkonzepte zielführend. In Anbetracht der stetig steigenden Anzahl von zu schützenden Objekten überprüft die Polizei Berlin gegenwärtig sämtliche Objektschutzkonzeptionen hinsichtlich des aktuell festgelegten Kräfte- und Maßnahmenansatzes.

b) Die Grundlagen für Objektschutzkonzeptionen basieren auf regelmäßig aktualisierten Gefährdungsbewertungen des Landeskriminalamtes und des Bundeskriminalamtes sowie auf landesgesetzlichen Bestimmungen aus nationalen und internationalen Rechtsverpflichtungen, wie dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und dem Staatsvertrag des Landes Berlin mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

c) Die derzeitige Prüfung umfasst Überlegungen, inwieweit der Einsatz technischer Möglichkeiten, beispielsweise der Einsatz von Videosystemen sowie der Einsatz von externen Dienstleistenden (Sicherheitsunternehmen) in den Objektschutz einbezogen werden können. Des Weiteren werden auch die Ergebnisse einer Anfrage an Polizeibehörden anderer europäischer Staaten zur dortigen Durchführung von Objektschutzmaßnahmen an gefährdeten Objekten im Sinne einer BestPractice-Analyse Berücksichtigung finden.

Berlin, den 10. November 2020

In Vertretung
Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport